Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (KJPP) feiert am heutigen 1. März 2021 ihren 40. Geburtstag. Seit ihrer Gründung war es Aufgabe der Klinik, psychisch kranke Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien zu unterstützen, zu begleiten und daran mitzuarbeiten, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen können. Dafür stehen die Mitarbeiter*innen der Klinik, das zeichnet ihr großes Engagement für die Kinder und Jugendlichen und ihre Familien aus.
Wie alles entstand
Am 1. März 1981 wurde im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Hildesheim ein kinder- und jugendpsychiatrischer Bereich eröffnet, der einen regionalen und überregionalen Versorgungsauftrag hatte. Anlass der Eröffnung war eine Empfehlung der Psychiatrie Enquête-Kommission, die mit ihrer Empfehlung von 1975 die Psychiatriereform in der Bundesrepublik Deutschland angestoßen hatte. Das Ziel der Psychiatriereform war, die Situation der psychisch Kranken in der Bundesrepublik maßgeblich zu verbessern. Dabei ging es darum, Re-Integration der Betroffenen in die Gesellschaft zu ermöglichen und für sie wohnortnahe spezifische Behandlungsangebote zu entwickeln. Dieser Anspruch galt auch für die Kinder und Jugendlichen im südwestlichen Niedersachsen. Denn bis zu der Eröffnung der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung in Hildesheim am 1. März 1981, wurden sie oft weit weg von zu Hause, entweder in der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wunstorf oder in Göttingen, behandelt. Einige wurden auch in den Erwachsenenabteilungen der damaligen Landeskrankenhäuser untergebracht. Dieser Umstand machte ein wohnort- und familiennahes Arbeiten nahezu unmöglich.
Am 1. Oktober 1984 wurde der kinder- und jugendpsychiatrische Bereich auf dem Gelände des Landeskrankenhauses Hildesheim in einem eigenen Gebäude verselbständigt und nannte sich fortnan „Niedersächsische Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie“.
Da die gemeindenahe Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher immer mehr Vorrang hatte, wurde die Anzahl der vollstationären Betten im Verlauf auf 84 angehoben. Zudem ermöglichte eine neue Personalverordnung, die für die Psychiatrie 1990 eingeführt wurde, einen personellen Zuwachs an gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeit*innen.
KJPP Hildesheim ein Vorreiter der gemeindenahen Versorgung
Die Klinik nahm, nicht nur mit ihrer Gründung, sondern auch im Verlauf ihrer weiteren Entwicklung, eine Vorreiterrolle in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgungslandschaft Niedersachsens ein. Als erste Einrichtung in Niedersachsen verfügte die kinder- und jugendpsychiatrische Klinik Hildesheim über eine besonders beschützende Station für Kinder und Jugendliche, die sich selbst oder Andere gefährdeten.
Dann wurde, als erste KJPP Niedersachsens, 1992 eine Tagesklink eröffnet und das sogenannte Institutsambulanzkonzept umgesetzt. Dieses dient dazu, besonders belastete Patient*innen möglichst wohnortnah ambulant zu versorgen. 1994 kam eine zweite Tagesklinik hinzu.
Der gemeindepsychiatrischen Behandlungsverpflichtung Rechnung tragend, wurden nach Übernahme des Landeskrankenhauses Hildesheim durch die AMEOS Gruppe, Außenstellen zur Verbesserung der wohnortnahen Versorgung geschaffen: In Hameln wurde 2012 eine Tagesklinik und Institutsambulanz eröffnet, 2014 kam Alfeld und 2015 Goslar ebenfalls mit einer Tagesklinik und Institutsambulanz hinzu. Mit diesem Schritt gewährleistete die KJPP Hildesheim eine gemeindepsychiatrisch orientierte und wohnortnahe tagesklinische und wo nötig auch ambulante Versorgung. Verbunden war dies mit einem Versorgungsauftrag und einer Versorgungsverpflichtung für einen Teil der Region Hannover, die Landkreise und Städte Celle, Hildesheim, Hameln, Alfeld, Goslar und Salzgitter. Insgesamt ist die Klinik heute für Kinder und Jugendliche eines Umkreises von ca. 1,8 Mio. Einwohner*innen zuständig.
Heute hält die Klinik am Hauptstandort Hildesheim noch immer über 82 vollstationäre und 16 teilstationäre Behandlungsplätze sowie eine Institutsambulanz vor. In den Tageskliniken der Außenstellen Goslar und Hameln gibt es jeweils 14 tagesklinische Behandlungsplätze und eine Institutsambulanz.
Herausforderung Ärztlicher Nachwuchs
Der Ärzte- und Fachärztemangel betrifft viele Kinder- und Jugendpsychiatrische Einrichtungen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie an den medizinischen Fakultäten der Universitäten in der Praxis kaum vertreten ist. Es zählt dort zu den kleinen klinischen Fächern. Somit haben die angehenden Ärzte*innen kaum eine Chance, dieses vielfältige und gesellschaftlich wichtige Fachgebiet kennenzulernen. Das Führungsteam der KJPP Hildesheim begegnet dieser Herausforderung mit einem bundesweit angelegten Spezialangebot für Studierende der Medizin, weil wir die Kinder- und Jugendpsychiatrie als gesellschaftlich relevante Aufgabe begreifen und uns dieser Verantwortung stellen.
Personelle Konstanz und Kontinuität
Dennoch war und ist die Hildesheimer Kinder- und Jugendpsychiatrie noch immer durch eine große personelle Konstanz und Kontinuität geprägt. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind Menschen mit großem Engagement und Leidenschaft für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen tätig. Diese Konstanz wurde in der klinischen Leitung von 2004 bis Juni 2019 durch den ehemaligen Chefarzt Dr. Dieter Felbel gewährleistet und davor durch Frau Dr. Brigitta Roy-Feiler. Ruhestandsbedingt verabschiedete sich Dr. Felbel im Sommer 2019.
Seit dem 1. Oktober 2019 ist Dr. Eva-Maria Franck die „neue“ Chefärztin der KJPP Hildesheim. Trotz der verschärften Rahmenbedingungen aufgrund von Corona werden die dem Fachpersonal anvertrauten Kinder und Jugendlichen leitlinienorientiert und menschlich wertschätzend behandelt, um gemeinsam mit ihnen und ihren Familien eine Zukunftsperspektive zu entwickeln. Ein Aufenthalt in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik lässt sich manchmal nicht vermeiden. Gleichwohl darf es für die Kinder, Jugendlichen, Eltern und Familien keine Erfahrung werden, die sie als Nachteil empfinden.
Leistungsstarkes Angebot
Die Klinik verfügt über ein vielfältiges ärztlich-therapeutisches und auch fachtherapeutisches Angebot. Besonderer Wert wird auf eine besonders enge Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten, den umliegenden Kliniken, den Gerichten und dem Kinder- und Jugendhilfesystem gelegt. Behandelt werden Kinder und Jugendliche mit allen Störungen des kinder- und jugendpsychiatrischen Formenkreis. Für Schulvermeider und besonders emotional instabile junge Menschen, werden besondere Behandlungsschwerpunkte auch als überregionale Angebote vorgehalten.
Besonders hervorzuheben ist die Vielfältigkeit des fachtherapeutischen Angebotes. Neben Musik-, Kunst-, Arbeits-, Ergo- und Lerntherapie, gibt es die Motopädie zur Verbesserung der sensomotorischen Wahrnehmung und des Verhaltens sowie einen therapeutischen Sportbereich mit Klettern, Judo und Schwimmen im hauseigenen Schwimmbad (sofern Corona dies zulässt). Eine tiergestützte Therapien mit Pferden, Hunden und Kaninchen erweitert die therapeutischen Möglichkeiten und schafft neue Inspirationen für die erkrankten Kinder und Jugendlichen.
Moderne Behandlungsmethoden sind in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des AMEOS Klinikums Hildesheim Konzept und alle Beteiligten nehmen diese Verantwortung sehr ernst. Im Kern geht es in der Psychiatrie immer wieder um Emanzipation, aber auch um Anpassung und auch um Disziplin. Das Ziel für die Patient*innen ist so gut als möglich zurechtzukommen, um die eigenen Lebensaufgaben in der Gesellschaft meistern zu können.
Eine Psychiatrie und auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie werden immer ambivalent gesehen. Menschen, die in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden, sind leider immer noch davon bedroht, stigmatisiert zu werden, weil sie in der Psychiatrie waren. Dem Ruf der Irrenanstalt ist die Psychiatrie glücklicherweise längst entwachsen. Und es muss anerkannt werden, dass die Psychiatrie in einer Zivilgesellschaft die Aufgabe hat, die Menschen, die dort behandelt werden, zu integrieren und auch zu emanzipieren. Es geht nicht um Wegsperren, aber es gibt durchaus medizinisch angeratene Situationen, in denen eine besonders beschützte Behandlung, auch hinter geschlossenen Türen, erforderlich ist.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Ohne Corona war der Plan, ein großes Fest zu veranstalten und eine Tagung zum 40. Geburtstag durchzuführen. Angedacht war ebenso, einen Tag der offenen Tür zu veranstalten, um Einblicke zu geben. Coronabedingt geht das leider nicht und aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben .Das Team der Kinder- und Jugendpsychiatrie im AMEOS Klinikum Hildesheim ist rund um die Uhr ansprechbar. Und sobald es möglich ist, werden die Veranstaltungen und auch die Feier des 40. Geburtstages nachgeholt.
Kontakt
Dr. Eva-Maria Franck
Chefärztin Fachklinik KJPP Hildesheim
AMEOS Klinikum Hildesheim
Akademisches Lehrkrankenhaus für Pflege der FOM Hochschule Essen
Goslarsche Landstr. 60
D-31135 Hildesheim
Telefon +49 5121 103-610
Eva-Maria.Franck@hildesheim.ameos.de