Yvonne Eberhardt hat im Sommer 2023 eine Ausbildung zur Still- und Laktationsberaterin begonnen. Die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet seit Januar 2023 auf der Wochenstation des AMEOS Klinikums Halberstadt. Schon lange hat sich die 40-Jährige gewünscht, auf einer Station der Geburtshilfe zu arbeiten. Ihre drei Kinder hat sie bis zu einem Alter von zwei Jahren gestillt.
 

Sie machen eine Ausbildung zur Still- und Laktationsberaterin – Was bedeutet das?
Die Ausbildung hat im Juni mit dem Basisseminar „Stillzeit“ des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation* in Berlin begonnen. Das Seminar ist sehr beliebt, sodass man um einen Platz kämpfen muss. In dem Kurs waren 20 Teilnehmerinnen aus ganz Deutschland, mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund: Hebammen, Pflegefachkräfte, Ergotherapeutinnen, Logopädinnen. Wenn ich mit der Ausbildung fertig bin, muss ich alle zwei Jahre den Lernstoff als Auffrischungskurs wiederholen.

*www.stillen-institut.com
 

Was sind die Inhalte der Ausbildung?
Die Inhalte beschränken sich nicht nur auf die Zeit nach der Geburt, sondern bereits auf die Zeit während der Schwangerschaft. Unter anderem, und das ist ein Thema, das mir selber sehr am Herzen liegt, wie wichtig das erste Kolostrum, die sogenannte goldene Milch, ist und was man damit machen kann. Die Bildung beginnt nämlich schon ab der 16. Schwangerschaftswoche (SSW) und mein Wunsch ist es, einmal eine Kolostrum-Sprechstunde anbieten zu können. In dieser Sprechstunde könnte ich den werdenden Müttern erklären, was sie mit der Milch schon vor der Geburt machen können, gerade bei geplanten Kaiserschnitten oder bei GDM-Schwangerschaften (Schwangerschaftsdiabetes). Damit kann man viel bewirken, zum Beispiel in Bezug auf Blutzuckerregulierung. Weitere Inhalte sind Anatomie, Biochemie, Hormone, Hormone, Hormone (lacht), Techniken und Probleme.
 

Was ist das Besondere am Kolostrum?
Das Kolostrum wird während der Schwangerschaft bei jeder Frau gebildet. Bei manchen tröpfelt es ganz langsam, bei anderen nicht. Das hat überhaupt keine Auswirkungen darauf, ob die Frau nach der Geburt gut stillen kann oder nicht. Es sagt lediglich aus, dass es vorhanden ist. Ab der 37. SSW kann man diese goldene Milch mit einer Massage abpumpen und zum Beispiel vom Partner nach einem Kaiserschnitt gefüttert werden, während die Mutter noch im OP oder Aufwachraum ist. Die Milch kann auch eingefroren werden. Hierbei helfen spezielle Kolostrum-Sets, die es beispielsweise in Apotheken gibt. Ich habe in unseren regelmäßigen Geschwisterkursen bereits mit Müttern gesprochen und ihnen beratend zur Seite gestanden.
 

Wie veranschaulichen Sie den werdenden Müttern das Anlegen beim Stillen?
Ich habe immer einen Zettel und einen Stift in der Tasche. Ich male den Frauen zum Verständnis viel auf, zum Beispiel wie der Mund des Säuglings die Brustwarze richtig umschließen muss. Oder ich sage ihnen: „Fühlt mal mit der Zunge gleich hinter den Schneidezähnen diesen harten Kieferkern. Da ist die Brustwarze und wenn das Kind saugt, dann kann die Brustwarze wund werden, weil es nur bis dahin kommt“ – die Brust sollte aber eigentlich in dem hinteren Teil sein. Und dann kommt es oft zu einem Aha-Effekt. Bei saugschwachen Kindern oder zu früh geborenen Kindern, zeige ich auf, was es für Möglichkeiten gibt, den Saugreflex an der Brust anzuregen.


Warum ist Ihnen diese Ausbildung so wichtig?
Das Thema Stillen ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich selber habe drei Kinder gestillt, aber im Lehrgang noch einmal so viel gelernt. Das Baby hat manchmal abends geweint und man fragt sich: „Warum wirst du nicht satt?“. Weil hier schon klar eine „Bestellung“ für die nächsten Tage aufgegeben wird. Ein Kind weiß ganz automatisch, dass es demnächst – nicht jetzt, sondern bald – mehr Energie braucht, macht damit quasi eine Vorbestellung. Da sind so viele Dinge, die ich noch erfahren habe und dann natürlich weitergeben kann.
 

Das Motto der diesjährigen Weltstillwoche ist „Stillen im Beruf“ – wie ist Ihr Standpunkt dazu?
Der größte Problemfaktor beim Stillen ist immer Stress! Den sollte man beim Stillen vermeiden, was leichter gesagt, als getan ist. Ich habe meine ersten beiden Kinder in der Ausbildung zur Krankenschwester bekommen, also ich weiß was Stress ist – einmal gestillt, einmal abgepumpt. Das ist einfach eine Sache der Organisation. Die Mutter muss für sich entscheiden: Wer kann mir helfen? Was brauche ich alles? Mit wem spreche ich? Wie kann mein Arbeitgeber mich unterstützen? Habe ich jemanden, der mir das Baby zur Arbeit bringt, damit es gestillt werden kann? Das Baby ist ja keine Maschine „Anlegen, trinken, fertig!“. Da gehört so viel mehr dazu. Es gibt sicherlich auch Arbeitgeber, die Mitarbeiterinnen stundenweise freistellen – das alles sollte man schon vorher abklären.

Das Interview führte Katja Stützer im Rahmen der Weltstillwoche 2023, Kommunikation & Kooperation, AMEOS Klinikum Halberstadt